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zweiter KULTURZONE-Schreibwettbewerb 2007 „Gebrauchsanweisung für ein Doresitto“

Preisträger

Kategorie über 16:

Platz 1 - Jana Arlt

Platz 2 - Hans Buring

Platz 3 - Aviva Barkhourdarian

Kategorie unter 16:

Platz 1 - Katja Deibert

Platz 2 - Luis Reich

Platz 3 - Yusra Eleslambouly



Platz 1



Jana Arlt

* 1973

Ich bin einer
Ich bin einer und oft allein, das brauche ich
zum nachdenken
Ich bin einer und nie einsam
weil ich viele Freunde habe
Wolfgang und Andrea #
und Wörter und Morgennebel
und Wolkenschafe
und noch mehr Wörter
und Papier + Stift
und Mohnblumen
und mein Fahrrad
und Sommerregen
und noch mehr Wörter
und der Senftenberger See
und Kaffee
und manchmal Oboenmusik
und Geschichten
und Gedichte
und Bücher
und die Gemeinschaft der Schreibenden
Ich bin einer und nie einsam, weil ich
all diese Freunde habe…
…und die Stille, die ich immer neu suche

# Mit Wolfgang Wache und Andrea Beutel verbindet mich die Begeisterung für das geschriebene Wort und die Förderung schreibender Kinder und Jugendlicher im Nachwuchs-Literatur- Zentrum „Ich schreibe!“

Des Dichters Leichenschmaus

Das Herz
eines großen Dichters
verspeist sich bitter.
Doch wer auf Geschmack
keinen Wert legt
für den lege man es
in Wein ein.
man trage es auf
als Vorspeise.
Zum Hauptgang folgt
die Zunge des Fabulierers
der nach dem Munde schrieb.
Der Nachtisch
aus gar köstlichen Anekdötchen
über die Fleicheslust.
Bon appetit!


J.A.


Platz 2


Foto: Martin Klindtworth

Hans Buring

Kurzbiografie

- geboren 1938 in Essen
- verheiratet mit einer Volksschullehrerin, 2 Kinder
- Studiendirektor i.R.
- Studium Deutsch und Erdkunde in Köln
- während des Studiums Bandleader einer Unterhaltungsband
- 35 Jahre Lehrer am Gymnasium
- ca. 25 Jahre zusätzlich Fachleiter für Deutsch am Essener Studienseminar
- 35 Jahre Arbeit mit dem Schülerkabarett „Die Kettwichte“ (s. Budzinski/Hip-pen, Metzlers Kabarett-Lexikon, S. 186), 24 Programme mit über 700 Vorstellungen in ganz Europa, darunter 10 Programme im „unterhaus“ in Mainz, halbstündiger Film über die Kettwichte im WDR
- Mitherausgeber der Richtlinien "Literaturkurse" (d.i. gestalterischer Umgang
mit Literatur) des Landes NRW für die gymnasiale Oberstufe
- Fachberater für die Literaturkurse bei der Regierung in Düsseldorf
- Dozent (für Theorie und Praxis des Kabaretts) an der PH Neuss und an der VHS Herne und VHS Kleve
- Dozent für Spielpädagogik (verschiedene Themen) auf zahlreichen Lehrerfortbildungen seitens der Landesregierung oder anderer Institutionen (wie GEE, Päd. Institut Villigst u.a.)
- bis 1999 Schuldienst, danach mehrere literarische Veröffentlichungen
- zahlreiche Kabarett-Soloauftritte mit eigenem Programm „Ich will mich ans Gewöhnen nicht gewöhnen“ in ganz Deutschland und in Portugal
- (selbstorganisierte) Lesereisen in ganz Deutschland mit dem Roman „Jacko, der Rabe“ (ca. 100 Auftritte in zwei Jahren) und – seit kurzem – mit dem Roman "Heiter. Roman eines Herzinfarktes"

Preise:

1988 Gladbecker Satirepreis (neben Volker Pispers)
1996 Melsunger Kabarettpreis (neben Diefes/Ehring vom Kom(m)ödchen)


Kindermusicals
- „Ferdinand der Stier“ (nach Munro Leaf), 1998
- „Des Kaisers neue Kleider“ (nach H.C. Andersen) 1999
- „Die Maus in der Schule“ 2000
- „Wie man Bananen krümmt“ 2004
- (weitere noch unveröffentlicht)

Bücher
- „Die Kettwichte“ , Essen 1999 (Klartext-Verlag), 368 S. (vergriffen)
(eine große Monographie über das Essener Schülerkabarett und damit auch über 35 Jahre Kabarett in Deutschland)

- „Jacko, der Rabe“ , Frankfurt 2002 (Fouqué-Verlag) 7. Auflage 2007
- „Heiter. Roman eines Herzinfarktes“, Norderstedt 2003 (BoD-Verlag)
- „Die Lotterköppe“ , Jugendroman, edition nove, Neckenmarkt (A), 07

außerdem mehrere Kabarett-Szenen, -Lieder und -Texte und Gedichte in
verschiedenen Anthologien

- „Deutschland Geweih(t)“ – Kettwichte-Songs aus 30 Jahren, CD 1995
Eigenverlag

- „Höhenflüge“ – weitere Songs aus 30 Jahren Kettwichte, CD 1997
Eigenverlag

Beispiele für wissenschaftliche Arbeiten:

- „Wir schreiben und inszenieren kabarettistische Texte“ in „Schule in
Aktion“, Raabe-Verlag, August 1998

- „Ferdinand, der Stier“ – Ein Stück mit Musik – in Zs. „Grundschule Heft 9“,
September 1999 (Westermann)

- „Kabarett als Instrument der politischen Bildung“ in Glodeck/Haberecht/von Ungern-Sternberg „Politisches Kabarett und Satire“ , Wissenschaftlicher Verlag Berlin, 2007, S. 125 - 134



Platz 3



Aviva Barkhourdarian

Geboren bin ich in Berlin.

Das Alphabet und allerhand Nützliches wurde
mir in Teheran, Los Angeles und Bremen
beigebracht.

An der Humboldt-Universität zu Berlin lernte ich
einiges über das Theater und die italienische
Sprache, bevor ich zum Film wechselte.

Ich studierte in Potsdam-Babelsberg Regie und
realisierte einige Kurzfilme. Wegen dieser
Kurzfilme bereiste ich so manches Festival und
gewann auch hier und da einen Preis.

Und wenn ich nicht gerade meinen Garten
umgrabe, dann denke ich mir Geschichten aus.

Später werde ich mal sterben.
Das war damals.


Das war etwas später.



Das war in der Zwischenzeit.



Das ist ein schöner Zeitvertreib.



Das ist in der Gegenwart.


Das ist noch lange hin. – Hoffentlich.

Malina, die Unglückliche

Sie hieß Malina. Sie hasste diesen Namen. Er passte nicht zu ihr. Was hatte sich ihre blöde Mutter dabei gedacht? Hätte sie sie nicht einfach Manuela nennen können? Mit einem stinknormalen Namen hätte sie ihr stinknormales Leben vielleicht besser ertragen können. Sie mochte ihr Leben nicht. Alle erlebten Abenteuer. Nur sie nicht. Keiner verliebte sich in sie und auch sie verliebte sich nie. Es war zum Kotzen. Morgens stand sie um halb sechs auf, weil der Weg zur Arbeit weit war. Dann saß sie in der U-Bahn zwischen all den Menschen, die genauso muffelig waren wie sie. Immer das Gleiche. Wie sollte das nicht auf ihr Gemüt schlagen? Die Arbeit fand sie zum Kotzen. Keiner mochte sie. Sie spürte es deutlich. Die Anderen hielten ab und zu ein Schwätzchen, nur zu ihr kam niemand an die Werkbank. Sie hätte auch nicht gewusst, was sie mit den Anderen hätte reden sollen. Sie waren so langweilig. Sie selbst war langweilig. Und Langeweile ergibt kein gutes Gesprächsthema.

Dann kam die Kündigung. Malina hatte trotz mehrmaliger Ermahnungen die Zielvorgaben nicht erfüllt. 280 Kerben schliff sie tagtäglich in 280 Zylinderstücke. Vor drei Jahren waren es noch doppelt so viele gewesen. Sie sah keinen Unterschied darin, ob sie nun 560 oder 280 Kerben schliff. Es schien ihr genauso sinnlos wie alles in ihrem Leben. Nach der Kündigung ging sie nicht zum Arbeitsamt. Es war ihr egal, ob sie Geld bekam oder nicht. Sie hatte keinen Bock auf Ämter, Flure und noch mehr unfreundliche Gesichter. Sie saß zu Hause und fragte sich, ob sie einfach auf den Tod warten sollte. Wie lange würde es dauern bis sie stürbe, wenn sie ab sofort nichts mehr aß? Der Kühlschrank war sowieso gerade leer. Sie ging zum Wasserhahn und goss sich ein Glas Wasser ein. Trinken würde sie. Aber allein von Wasser würde sie wohl kaum leben können. Ihr Entschluss war gefasst. Sie hatte die Nase voll von all dem Stumpfsinn.

Sie ging in die Bücherei und lieh sich fünfunddreißig Romane aus. Zu Hause setzte sie sich in eine Decke gewickelt aufs Sofa und begann zu lesen. Wenn sie müde wurde, schlief sie; wenn sie Durst hatte, trank sie Wasser; wenn sie frische Luft brauchte, öffnete sie das Fenster. Ab und zu stand sie auf, reckt sich und ging auf die Toilette. Dann begab sie sich wieder auf ihr Sofa und las weiter oder träumte einfach vor sich hin. Sie hatte gerade die erste Seite des einunddreißigsten Romans aufgeschlagen, als es an der Wohnungstür klingelte. Sie blickte zum Fenster. Draußen war es diesig. Malina fiel auf, dass sie entsetzlich fror. Dann stand sie auf, öffnete die Tür und fiel in Ohnmacht. Man brachte sie ins Krankenhaus und stellte akute Unterernährung fest.

Danach änderte sich ihr Leben. Sie kam in die Psychiatrie und fand dort viele interessante Freunde.

Aviva Barkhourdarian

Sprachkunst